„Klare Regeln nehmen Ängste“

MdB Dr. Christos Pantazis zu Gast bei Diskussionsrunde an der HBS

Am Montag, dem 10. Februar 2025 stellte sich der SPD-Abgeordnete im Deutschen Bundestag, Dr. Christos Pantazis, den Fragen der Schülerinnen und Schüler der Heinrich-Büssing-Schule. Alle Klassen der Fachoberschule und des Beruflichen Gymnasiums Technik waren auf Einladung von Herrn Thomas Becker dabei. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Jonas Peters aus der BG22; seine Mitschülerinnen Janne Linke und Inga Baumann kümmerten sich um die Technik.

Zunächst ging es um die Gründe, weshalb sich Pantazis überhaupt für die Politik entschieden hat: Als Hirnchirurg wollte er gegen die Zweiklassenmedizin aktiv werden, 2013 bis 2021 war er dann Landtagsabgeordneter in Niedersachsen, seit 2021 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter in Braunschweig und engagiert in Sachen Gesundheitspolitik.

Zudem sei sein Vater Grieche, die Mutter habe französische Wurzeln, und so habe Pantazis selbst viele Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrung erlebt. Durch diese Erfahrungen und als klassisches Gastarbeiterkind habe er sich gefragt: Welche Partei akzeptiere, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei? – So kam er, auch durch sein Empfinden für soziale Gerechtigkeit, zur SPD.

Seine drei wichtigsten Projekte im Bundestag beschreibt er wie folgt:

  1. Die enge Zusammenarbeit mit Karl Lauterbach im Gesundheitsausschuss und die damit verbundene Verabschiedung von 20 Gesetzen. Pantazis war insbesondere zuständig für Krankenhäuser und hat die größte Krankenhausreform der letzten 20 Jahre mitgeprägt, die zum 1.1.2025 in Kraft trat. Es solle nicht Geld, sondern der Patient im Mittelpunkt stehen.
  2. Die Krisenzeiten (Ukraine-Krieg, Klimawandel, Migration) habe die Regierung halbwegs gut bewältigt: Wir haben im Winter nicht gefroren und der Bundestag habe über 200 Mrd. € für die Stabilisierung aufgewendet.
  3. Verabschiedung der Teillegalisierung von Cannabis

Er selbst sei Anhänger einer Bürgerversicherung, einem System, bei dem alle in eine Kasse einzahlen. Es gebe aber leider keine Mehrheiten im Parlament. Schritt für Schritt sollen Menschen in das System der gesetzlichen Krankenversicherung überführt werden, auch Politiker zur Stabilisierung des Systems. Der Arbeitsplatz Krankenhaus könne so deutlich attraktiver werden.

Weiterhin wird Pantazis zu den Gründen für das Scheitern der Ampel befragt. Ihm zufolge haben die Gesundheitspolitiker in der Ampel gut zusammengearbeitet; in anderen Bereichen (Verteidigung, Wirtschaft, Finanzen etc.) hat es aber ständig Krach gegeben, da man leider nicht immer in der Lange war, Kompromisse zu finden. Pantazis zufolge sei das Wesen der parlamentarischen Demokratie der Kompromiss.

Zu seiner Wahlprognose am 23.2.2025 und Koalitionspräferenzen äußerte er sich offen: „Man muss mit allen gesprächsbereit sein, weil diese Republik vom Konsens, vom Kompromiss lebt.“ Es gebe allerdings eine Haltelinie: Eine Koalition erfolge nur mit Parteien, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Mit der CDU hingegen habe man einen demokratischen Grundkonsens könnte sich sicherlich einigen.

Nach den aktuellen Umfragen hätte die CDU mit der AfD eine Mehrheit. Nach den Wortbrüchen, die Pantazis im deutschen Bundestag erlebt habe, sei er misstrauisch und verweist auf das politische Geschehen in Österreich.

Eine interessante Schülerfrage ließ sich für Pantazis schwer beantworten: Welche SPD-Politiker machen ihren Job gut, welche schlecht? Boris Pistorius mache seinen Job sehr ordentlich. Karl Lauterberg habe die meisten Gesetze verabschiedet; sei den Reformstau angegangen. Auch Hubertus Heil mache als Bundesminister für Arbeit und Soziales einen guten Job; insbesondere lobt Pantazis sein Engagement in der Krise von Volkswagen. Von der Bauministerin Klara Geywitz hätte er sich mehr erhofft. Das Wahlversprechen des sozialen Wohnungsbaus habe sie leider nicht einhalten können.

Weiter geht es mit lokalen Themen: Braunschweig sei eine der forschungsintensivsten Regionen Europas. Die SPD habe dafür gesorgt, dass die Mittel trotz der Krise sogar angehoben wurden. Zudem habe es Investitionen in den Bahnhofsbereich gegeben und Pantazis sehe sich als Lobbyist und Streiter für seine eigene Stadt. Auch das Klinikum Braunschweig sowie HEH und Marienstift würden von der Krankenhausreform profitieren. Bei der VW-Krise wurde ein Parlamentskreis gegründet, um eine schnelle Lösung herbeizuführen, sodass der Standort in Braunschweig gesichert werde.

Leider habe der Bund keinen direkten Einfluss auf Schulen, dies sei Ländersache, aber 20 Mrd. Euro seien in das Chancenprogramm für die Schulen geflossen sowie habe es Gelder für den Digitalpakt Schule und die Bekämpfung der Kinderarmut durch Kindergrundsicherung gegeben.

Als letzter Punkt wurde gefragt, warum im Bundestag noch nicht genug unternommen werde, um Rechtsextremismus zu bekämpfen. Pantazis zufolge gebe es einen massiven Anstieg der Straftaten gegen Asylsuchende oder Asylunterkünfte. Nancy Faeser habe viel Geld in politische Bildung und NGOs investiert sowie zivilgesellschaftliche Elemente (z.B. Stiftungen) mit Bundesmitteln versorgt.

Wir als exportorientiertes Land seien auf Käufer aus dem Ausland angewiesen und sollten keinen schlechten Ruf als ausländerfeindliche Menschen bekommen. Die gesellschaftliche Debatte bewege sich immer weiter mach rechts, man gewöhne sich daran, dass es von Jahr zu Jahr schlimmer wird, doch daran dürfe man sich Pantazis zufolge nicht gewöhnen. Er thematisiert das Modell der Aufmerksamkeitsökonomie: Medien berichten nicht mehr vollumfänglich über Probleme wie Pflege, gesundheitliche Versorgung, Fachkräftemangel, Kinderarmut und Rechtsextremismus, sondern fokussieren sich auf Migration. Dazu plädiert Pantazis: „Klare Regeln nehmen Ängste“, man müsse als Politiker einen Schritt zurückgehen, Anstand und Haltung bewahren und Sachfakten analysieren.

Soziale Medien wie TikTok, Instagram und X haben einen massiven Einfluss auf Jugendliche; der Deutsche Bundestag hat Politiker aber darum gebeten, nicht bei TikTok zu sein wegen der möglichen Überwachung durch China.

Die AfD sei in Social Media sehr aktiv und Pantazis kommentiert: „Ich rede auch mit Leuten aus der AfD; das Problem ist nur, dass sie in mehreren Landesverbänden als gesichert rechtsextrem eingestuft ist. Diese Teile sprechen einigen Menschen die Würde ab. Millionenfache Remigration, Austritt aus dem Euro und Schließung der Grenzen hätten massive negative Einflüsse auf unsere Wirtschaft; bei VW wären das 300.000 Arbeitsplätze weniger.“

Das Reduzieren komplexer Sachverhalte auf einfache Antworten oder konkrete Schuldige ist ein Mittel des Faschismus. Auch hier: „Klare Regeln nehmen Ängste.“ Die Politik müsse für Ordnung sorgen, damit solche Zuschreibungen keinen Nährboden finden.

Glücklicherweise hätten die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes die Verfassung so gestaltet, dass sie eine wehrhafte Demokratie ist, damit die Verfassung nicht von innen ausgehöhlt werden könne.

Für die Schülerinnen und Schüler war es eine spannende Diskussionsrunde mit Themen, die im nachfolgenden Unterricht noch viel Gesprächsstoff boten und einem Politiker, der sich sehr nahbar zeigte und authentische Einblicke in die Arbeit eines Bundestagsabgeordneten zeigte. Herzlichen Dank an alle Beteiligten!

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